LITERATUR IM JAGDSCHLOSS



Sonntag, 06.11.2005,
19.30 Uhr


REZITATIONSABEND MIT
ERNST ERICH BADER


Kästner, Morgenstern, Ringelnatz und Tucholsky

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Der Berliner Ernst Erich Bader, Sohn des Opernkappelmeisters und Komponisten Bader, wurde am Max-Reinhardt-Seminar in Berlin zum Schauspieler ausgebildet.

Nach Engagements in Kiel, Nürnberg, Braunschweig, Luzern und Münster ist er seit 1971 Ensemblemitglied am Schauspiel Hannover.

Neben seiner Theaterarbeit dreht E. E. Bader für Film und Fernsehen, ist als Rundfunksprecher tätig und mit eigenen Vorträgen und Rezitationsabenden unterwegs.


 

Wo Tucholsky die ewige Liebe schwört

Rezitationsabend mit Ernst-Erich Buder / Mal brandaktuell, mal bösartig

Springe (gcs). Lesungen stehen selten auf dem Programmplan des Kulturkreises. Der Auftritt des Schauspielers Ernst-Erich Buder beweist jedoch: Es lohnt sich für den Verein, Neues zu wagen. Im eng bestuhlten Jagdschloss-Saal blieben nur wenige Plätze frei.

Der Abend gehörte Erich Kästner, Christian Morgenstern, Joachim Ringelnatz, Kurt Tucholsky - und natürlich Ernst-Erich Buder. Mal sächselnd, mal berlinernd, leicht angetrunken wirkend, dann wieder stockend wie ein Schuljunge: Der Mime vom hannoverschen Schauspielhaus hauchte den Versen noch mehr Leben ein, als sie beim stillen Lesen besitzen.

Es sei ihm ein Anliegen, die große Bandbreite eines Kästners aufzuzeigen, der authentisch in die Welt der Kinder eintauchen konnte, hart mit den Großen ins Gericht ging und liebevoll von seiner Mutter erzählte, sagte Buder. Durch seine Auswahl und seinen Vortrag wurde die Sensibilität spürbar, die sich hinter vielen ironischen Reimen eines Ringelnatz verbirgt. Durch Morgensterns Bissigkeit schimmerte dessen Dünnhäutigkeit. Und Tucholsky bezauberte mit realistischen Liebensgedichten.

Brandaktuell und bösartig zeichnete Buder mit Kästner ein Sittenbild auch unserer Gegenwart. "Zeitgenossen haufenweise" lautet der Titel des Gedichts, in dem sich Denken und Handel ausschließlich um die Rentabilität drehen.

Nachdenklich philosophierte das Publikum mit Morgensternüber den sinnlosen Tod eines Stückchens Butterbrotpapier, um kurz darauf melancholisch mit Ringelnatz zu schwärmen: "Ich hab dich so lieb! Ich würde dir ohne Bedenken eine Kachel aus meinem Ofen schenken."

Der sächsische Dichter dominierte neben Tucholsky den zweiten Programmteil mit Klassikern wie "Überall ist Wun derland", seiner Geschichte des Seemanns "Kuttel Daddeldu" sowie dem Reisebericht der zwei "Ameisen".

Neue Deister Zeitung, 8.11.2005:

Nuancenreich und pointiert: Ernst Erich Buder rezitiert unter anderem Christian Morgenstern und Kurt Tucholsky Foto: Deppe

Schauspieler berührt und erheitert
Ernst Erich Buder rezitiert beim Kulturkreis im Jagdschloss Springe

VON GERT DEPPE

SPRINGE. Vorsitzender Waldemar Wandel hat einmal mehr ein glückliches Händchen bewiesen. Nach Klaviermusik zur Saisoneröffnung und Kammermusik für Klaviertrio erwartete die Freunde des Kulturkreises Springe nun ein ungewöhnlicher Abend - ganz ohne Musik und doch mit reichlich Zwischentönen. Der hannoversche Schauspieler Ernst-Erich Buder gastierte im Springer Jagdschloss, mitgebracht hatte er eine Auswahl an Lyrik und Prosa. „Er kann liebenswert, aber auch bösartig sein", warnte Buder sein Publikum im voll besetzten Kaisersaal gleich zu Beginn vor Erich Kästner, mit dessen Texten Buder seinen Rezitationsabend eröffnete.

Über seine „Zeitgenossen" beispielsweise wusste der Dichter nicht eben Gutes zu berichten. Köpfe wie auf Abziehbildern hätten diese, und „was sich nicht zählen lässt, gibt es für sie nicht". Ernst Erich Buder rezitierte nicht nur auswendig und mit traumwandlerischer Sicherheit. Erfolgte zudem akribisch der Textdramaturgie und transportierte den ebenso feinen wie auch garstigen Humor Kästners vortrefflich. Ob in „Der Kümmerer", „Das letzte Kapitel", „Modernes Märchen" und „Maskenball im Hochgebirge": Buder suchte die Nähe zum Publikum und spürte in (sowie zwischen) den Zeilen feinsten Nuancen und überraschenden Pointen nach.

Und manchmal, wie etwa in Christian Morgensterns „Tertius Gaudens", erfuhren die Zuhörer Altbekanntes auf neue Weise: Dass nämlich „Perlen vor die Säue" nicht nur Sprichwort, sondern auch ein Stück Evolutionsgeschichte ist. Ernst Erich Buder rezitierte nicht nur, er spielte und zelebrierte die Literatur. Und überraschte überdies mit Texten, die - wie zum Beispiel bei Joachim Ringelnatz - durch Poesie („Weihnachten"), Anmut („Ich habe dich so lieb") oder auch Klamauk („Zwei Ameisen", „Ein männlicher Briefmark") berührten und erheiterten.

Auch Buders unaufdringliche und gleichermaßen packende Rezitationen von Kurt Tucholsky lebten von einer großen Bandbreite zwischen Alltagsweisheit, Ironie und Humor sowie tiefem Ernst. Ein ausgesprochen kurzweiliger und gelungener Abend, der nicht zuletzt auch durch Buders feinnervige Moderation als besonderes Erlebnis in Erinnerung bleiben wird.

Hannoversche Allgemeine Zeitung, Deister-Anzeiger, 8.11.2005:

 

Gestaltung: Andreas Erbslöh