Wo
Tucholsky die ewige Liebe schwört
Rezitationsabend
mit Ernst-Erich Buder / Mal brandaktuell, mal bösartig
Springe
(gcs). Lesungen stehen selten auf dem Programmplan des Kulturkreises.
Der Auftritt des Schauspielers Ernst-Erich Buder beweist jedoch:
Es lohnt sich für den Verein, Neues zu wagen. Im eng bestuhlten
Jagdschloss-Saal blieben nur wenige Plätze frei.
Der
Abend gehörte Erich Kästner, Christian Morgenstern, Joachim
Ringelnatz, Kurt Tucholsky - und natürlich Ernst-Erich Buder.
Mal sächselnd, mal berlinernd, leicht angetrunken wirkend,
dann wieder stockend wie ein Schuljunge: Der Mime vom hannoverschen
Schauspielhaus hauchte den Versen noch mehr Leben ein, als sie beim
stillen Lesen besitzen.
Es
sei ihm ein Anliegen, die große Bandbreite eines Kästners
aufzuzeigen, der authentisch in die Welt der Kinder eintauchen konnte,
hart mit den Großen ins Gericht ging und liebevoll von seiner
Mutter erzählte, sagte Buder. Durch seine Auswahl und seinen
Vortrag wurde die Sensibilität spürbar, die sich hinter
vielen ironischen Reimen eines Ringelnatz verbirgt. Durch Morgensterns
Bissigkeit schimmerte dessen Dünnhäutigkeit. Und Tucholsky
bezauberte mit realistischen Liebensgedichten.
Brandaktuell
und bösartig zeichnete Buder mit Kästner ein Sittenbild
auch unserer Gegenwart. "Zeitgenossen haufenweise" lautet
der Titel des Gedichts, in dem sich Denken und Handel ausschließlich
um die Rentabilität drehen.
Nachdenklich
philosophierte das Publikum mit Morgensternüber den sinnlosen
Tod eines Stückchens Butterbrotpapier, um kurz darauf melancholisch
mit Ringelnatz zu schwärmen: "Ich hab dich so lieb! Ich
würde dir ohne Bedenken eine Kachel aus meinem Ofen schenken."
Der
sächsische Dichter dominierte neben Tucholsky den zweiten Programmteil
mit Klassikern wie "Überall ist Wun derland", seiner
Geschichte des Seemanns "Kuttel Daddeldu" sowie dem Reisebericht
der zwei "Ameisen".
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