Griechischer
Sturm fegt durchs Jagdschloss
Konzert
des Kulturkreises: Aiolos-Trio aus Berlin spielt Kontraste
der Musikgeschichte
Springe
(dor). Es war kein Wind, sondern ein regelrechter Sturm, den das
Aiolos-Trio aus Berlin (Aiolos: griechisch Wind),
mit sich brachte, und beim Konzert des Kulturkreises Springe mit
hoher Geschwindigkeit durch das Jagdschloss Springe fegte. Mit Riesenschritten
jagten die mehrfach ausgezeichneten Künstler Kilian Herold
(Klarinette), Manfred Baumgärtner (Fagott) und Manfred Schmidt
(Klavier) durch die Musikgeschichte.
Die
Berliner begannen mit Ludwig van Beethovens Trio in B-Dur op. 11
aus dem Jahr 1798, das aufgrund seines populären Themas im
letzten Satz auch den Beinamen Gassenhauer-Trio trägt.
Der Gräfin Maria Wilhelmine von Thun gewidmet, kennzeichnet
es Beethovens Phase des Erkundens und Erweiterns möglicher
Sonatenformen. Spürbar ist das Bestreben dieser Jahre, den
hochklassischen Wiener Stil zu meistern. Seine vorwärts strebende
Fantasie drohte in dieser Zeit allerdings noch nicht mit ihm durchzugehen,
und genauso lässt das Aiolos-Trio die Sonate erklingen: lieblich,
exakt, ein wenig konservativ und absolut ungefährlich.
Ganz
anders dagegen klingt die Musik des 20. Jahrhunderts von Arnold
Schönberg, Igor Stravinsky und Isang Yun. Die sechs kleinen
Klavierstücke op. 19, in denen der Autodidakt Schönberg
seine revolutionären atonalen Reihen (alle Töne
sind gleichberechtigt) einbringt, sind auch heute noch ein Meilenstein
der Musikgeschichte. Wie flüchtige Ideen stehen
die Miniaturen nebeneinander, wie einen nach innen gewandten
Schock charakterisiert Schönberg sein Werk, das durch
seine Unvorhersehbarkeit auch im Jahr 2005 im Jagdschloss die gewünschte
Irritation hervorruft.
Von
Stravinsky, oftmals nicht ganz passend als Antipode Schönbergs
bezeichnet, präsentierte Herold Drei Stücke für
Klarinette solo von 1919. Interessant sind hier vor allem
die Möglichkeiten des Instruments, und die neuartigen Wirkungen,
die der Wegbereiter des modernen Balletts und Meister der rhythmischen
Asymmetrie und Polyrhythmik dem Instrument abgerungen hat.
Eine
ähnliche Motivation könnte man bei dem in konventionellen
Kammermusikreihen selten zu hörenden Monolog für
Fagott des Südkoreaners Isang Yung vermuten: So wirkte
der völlig sich verausgabende atemlose Manfred Baumgärtner
für den Laien auch eher wie ein die Grenzen Austestender. Tatsächlich
geht es bei Yung aber um kulturelle Integration und Zyklen, in
denen jeder Moment alles bedeutet.
Nach
drei zeitgenössischen Solo-Ausflügen, über die sich
die drei Musiker freuten, sie endlich mal spielen zu können,
folgte ein Kontrast anderer Art: Außereuropäisches des
Brasilianers Heitor Villa-Lobos. In seiner Fantasie-Concertante
luden mitteleuropäische Stil-Elemente gemischt mit folkloristischen
Einflüssen zum Schweifen ein. Mit dem Trio pathétique
von Michail Glinka aus dem Jahr 1827 schloss sich der Kreis.
Das
Trio kostete alle Finessen der Musiksprache des frühen 19.
Jahrhunderts aus, und überzeugte mit meisterhaft abgestimmten
Spiel. Die verdienten Ovationen des Publikums wurden mit Schumanns
Ich bin dein Baum, o Gärtner von Robert Schumann
belohnt.
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